Thomas Jettel, Herbst 2020
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Einleitendes
Die Off (o. Apokalypse) ist ein Brief aus dem ersten Jahrhundert, geschrieben an sieben Gemeinden in der römischen Provinz Asien. Die Botschaft ist einfach. Im einleitenden Teil (K. 1-3) werden die Christen sieben Mal zum Überwinden aufgerufen und gegen Ende des Briefes ein achtes Mal: „Wer überwindet wird alles erben.“ (21,7)
Die Leser standen damals vor einer großen Prüfungszeit, die über den ganzen Erdkreis kommen sollte, „um die zu prüfen, die im Lande (o.: auf Erden) wohnen“ (3,10). Sie werden durch den Brief vorbereitet. Wenn sie treu am Wort Gottes festhalten und standhaft bleiben würden, sollten sie vor dieser Prüfungszeit bewahrt und nicht von dem Satan verschlungen werden, der die Heiligen zum Abfall von Christus bewegen wollte.
Die Prüfungszeit betrifft einen Kampf auf Leben und Tod. Wer bis zum Tode überwindet, darf mit Christus auf seinem Thron sitzen und mit ihm herrschen. Der Untreue fügt sich ewigen Schaden zu.
Die K. 4-22 bilden den Hauptteil des Briefes. Die K. 4-16 beinhalten drei Siebenerreihen. Die K. 17-22 geben Details über das Gericht über die Hure, das Tier, den Drachen, die Toten und über die Herrlichkeit des neuen Jerusalems, der Braut des Lammes.
In den K. 11-15, wird der Feind beschrieben, gegen den es zu kämpfen gilt, und es wird aufgezeigt, wie man ihn überwinden kann. Der Feind ist vor allem der „Drache“ und das „Tier“ aus dem Meer – mit seinem Komplizen, dem Tier vom Land, genannt der „falsche Prophet“. In den K. 19 und 20 wird der endgültige Sieg des Königs der Könige über das Tier und den falschen Propheten und über den Drachen, der den beiden ihre Vollmacht gibt, beschrieben.
In der Einleitung (K. 1-3) und im Schlussteil (K. 22) wird viermal (1,1.3; 22,6.10) betont, dass die Zeit der bevorstehenden Ereignisse „nahe“ ist und dass die Ereignisse „in Kürze“ geschehen werden.
(Statt „in Kürze“ kann man auch übersetzen „schnell“. Gemeint ist, zeitlich schnell, d. h., es wird schnell gehen, bis diese Zeit eintrifft, die vorhergesagten Dinge werden also „bald“ geschehen.)
Damit wird klar, dass das in der Off Beschriebene den Briefempfängern unmittelbar bevorstand. Johannes sagt von Anfang an, dass die Dinge, die in diesem Brief geschrieben ist, „in Kürze“ (in Bälde) geschehen werden (1,1):
„Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, seinen leibeigenen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen muss. … 3 Ein Seliger ist der, der liest, und [Selige sind] die, die hören die Worte der Weissagung und bewahren, was darin geschrieben ist, denn die Zeit ist nahe!”
Ebenso an Ende des Briefes (22,10): “Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches, weil die Zeit nahe ist.”
Im Danielbuch, weniger als 400 Jahre vor den Ereignissen um Antiochus IV, wurde dem Propheten gesagt, es seien noch “viele Tage” bis dahin (Dan 8,26: “Du aber verschließe das Gesicht, denn es geht auf viele Tage.”)
Folglich kann in Off 22,10 nicht gemeint sein, dass die Zeit bis zur Erfüllung jener Ereignisse zwei Jahrtausende (oder mehr) in der Zukunft liegen.
Moses Stuart kommt in “The Interpretation of Prophecy” zu dem Schluss, dass die Off mitten in einer blutigen Verfolgung der Gemeinde geschrieben wurde – oder knapp davor. Der Schreiber selbst ist in der Verbannung „wegen des Wortes Gottes und seines Zeugnisses von Jesus“ (1,9). … Eine große Prüfungszeit steht den Christen im ganzen Römerreich bevor (3,10). Smyrna steht vor großem Leiden (2,8-11). Absicht des langen Briefes ist es, zu ermutigen, zu bewahren, zu festigen, zu trösten und zum Überwinden aufzurufen. Gott wird die Treuen belohnen, die Verfolger bestraften. Die Gemeinde wird zuletzt über alle ihre Feinde triumphieren.
Die Dinge, die in diesem Brief geschrieben sind, müssen kurz nach der Abfassung des Briefes geschehen sein. Die Erfüllung der beschriebenen Ereignisse muss man in der (vom Autor betrachtet) nahen Zukunft suchen.
Literaturgattung und historischer Zusammenhang
Welcher Literaturgattung gehört die Offenbarung an?
Es handelt sich um einen Brief, der zugleich eine Weissagung ist, geschrieben im Stil „apokalyptischer“ Literatur.
1. Die Off ist eine Weissagung.
EineWeissagung ist ein prophetisches Wort, geschrieben in eine konkrete historische Situation.
Die Off soll zeigen, was Gott in und mit der gegenwärtigen Situation der Empfänger vorhat. Es geht um die „Lehre von den letzten Dingen“ (Eschatologie), und zwar um Gericht und Heil. Die, die die Worte der Weissagung hören und bewahren, werden „Selige“ sein (1,3; 22,7).
Das Buch soll Auswirkungen auf die Situation der Leser des ersten Jahrhunderts haben, sie ermahnen und trösten. So steht die Offenbarung in Fortsetzung der alttestamentlichen Prophetie. Es enthält mehr als 400 Anspielungen auf das Alte Testament, aber keine direkten Zitate. Die Leser in ihrer konkreten historischen Situation sind aufgerufen, auf die Worte dieser Weissagung entsprechend zu reagieren (1,3; 2,7.11.17.26-29; 3,5.6.11-13.20-22; 13,9.10.18; 16,15; 18,4; 22,7.14.17-19).
Was ist im Allgemeinen der Zweck jeder Prophetie?
– nicht intellektuelle Befriedigung, sondern Lebensveränderung in Christi Bild. Das bedeutet, Prophetie soll dazu dienen, …
- dass die Leser ihren Charakter von Jesus Christus umgestalten lassen (1Th 5,23; 1Jh 3,3; 2P 3,12.13)
- dass sie sich und andere zum Durchhalten und Bezeugen in Anfechtung und Verfolgung ermutigen und einander trösten (Mk 8,38; Rm 8,18; 2Kr 4,17; 1Th 4,18)
- dass sie einander zum Dienst für Christus motivieren (Jh 9,4; 1Th 1,9.10) und zur Wachsamkeit anhalten (Mt 25)
- dass sie ein Anliegen bekommen für Christen, die durch falsches Leben oder falsche Lehre in die Gefahr gekommen sind, abzudriften (Vgl. 1M 19,14; Jud 21-23, Heb 2,1.2.)
- dass sie sich von Weltlichem und lehrhaft Falschem absondern (2P 3,12.13)
- dass sie einander helfen, ihre materiellen Besitztümer zu verringern, denn deren Wert wird umso kleiner, je näher sie dem Ende entgegengehen (3M 25,8-16).
2. Die Off ist eine Apokalypse.
Eine Apokalypse ist eine eigene literarische Gattung. Apoklaypsen im AT sind die Bücher Daniel und Sacharja, z. T. auch das Buch des Propheten Hesekiel. Im NT ist das Buch der Off apokalyptisch, auch einzelne Teile in den Evangelien, z. B. Mt 24. Außerbiblische (nicht inspirierte) apokalyptische Bücher sind z. B. das Henochbuch, der „Hirt des Hermas“, 2Baruch, 4Esdras, die „Himmelfahrt des Moses“.
Die Off vermittelt Inhalte von Gesichten, die Johannes sah.
1,10: „An dem Tage, der dem Herrn gehört, wurde ich [einer, der] im Geist [war].“
4,2: „Und sogleich wurde ich [einer, der] im Geist [war]; und– siehe! – ein Thron, im Himmel aufgestellt; und auf dem Thron saß einer.“ (Vgl. Vgl. 1Henoch 14-16; 46; 60,1-6; 2Henoch 20,1.)
Johannes wird im Geist in den Himmel versetzt und sieht die Welt aus der himmlischen Perspektive; er bekommt einen Blick hinter die Kulissen der Geschichte, sodass er sieht, was tatsächlich vor sich geht – und zwar in Gegenwart und in der nahen Zukunft. Er bekommt einen Blick vom Jenseits her auf die Gegenwart seiner Zeit; aber nicht nur das, sondern er sieht auch, wohin die Geschichte seiner Zeit hinausläuft. Die Welt der Leser erweitert sich dadurch räumlich und zeitlich.
Die Off spricht eine konkrete Situation der Christen in der römischen Provinz Asia im 1. Jahrhundert n. Chr. an. Johannes (bzw. Jesus Christus) beziehen sich auf die nahe Zukunft jener Christen, an die der Brief gerichtet war (1,1.3; 22,7.10). Die Feinde setzten dem wahren Gottesvolk und ihrer Welt Grenzen. Johannes aber sieht die Welt offen – zu Gott, dem Schöpfer und Herrn hin. Aus dieser Perspektive sehen die Leser nun sich und ihre gegenwärtige Situation in einem anderen Licht.
Die Welt, die Johannes sieht, ist nicht eine andere Welt, sondern es ist die Welt der Christen im ersten Jahrhundert, aber betrachtet aus der himmlischen und eschatologischen Perspektive. Johannes hat das göttliche Ziel im Auge.
Das ist es auch, was wir Menschen heute brauchen. Wenn wir unsere Welt vom irdisch-menschlichen Standpunkt aus betrachten, haben wir eine falsche Sicht der realen Dinge und laufen Gefahr, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Die Gerechten müssen leiden und den Gottlosen geht es gut. Die Bösen regieren, spielen Gott und verändern Gesetze. Das wirft unter Gottes Volk Fragen auf: Wo ist Gott? Warum greift er nicht ein? Wie und wo ist sein Königreich?
Die Off ist in mancherlei Hinsicht anders als die jüdisch apokalyptische Literatur:
. Es gibt viele Gesichte und viel Symbolik. Das Buch ist ein Bericht über zwei große Gesichte, eines auf Erden (1,10 -3,22), das als Einleitung gilt, und eines im Himmel (4,1-22,9).
. Entgegen der außerbiblischen Apokalyptik wird in der Off immer wieder auf das Alte Testament (AT) Bezug genommen. Die meisten Bilder und Motive aus den Gesichten sind dem AT entlehnt und können nur vom AT her verstanden werden.
. Der Name des Verfassers wird angegeben (1,1.4.9; 22,8). In außerbiblischen (nicht inspirierten) apokalyptischen Büchern (z. B. Henochbuch, Baruch, 4Edras; Hirte des Hermas) werden die Namen der Autoren nicht genannt. Der Verfasser bleibt anonym oder pseudonym (d. h., der Autor gibt sich einen falschen Namen).
. Der Verfasser ist von Gottes Geist inspiriert. Er weiß, dass er in der Tradition der alttestamentlichen Propheten steht, und er selber ist ein Prophet wie Jesaja, Hesekiel, Daniel und Sacharja. Er spricht in der Autorität Jesu Christi. Von ihm hat er seine Botschaft (1,1.2.10; 1,19; 10,8-11).
. Der Verfasser spricht von einer konkreten Zeit in naher Zukunft. In Dan 12,4 und 9 lesen wir, dass sich die im Danielbuch geweissagten Ereignisse auf ferne Zukunft bezogen; daher sollte Daniel das Buch verschließen (versiegeln, aufbewahren, Da 8,26): „ Und das Geschaute von den Abenden und den Morgen, das gesagt wurde, ist Wahrheit. Du aber verschließe das Gesicht, denn es geht auf viele Tage.“
Dan 10,14 „Und ich bin gekommen, dich verstehen zu lassen, was deinem Volk widerfahren wird in der späteren Zeit der Tage, denn das Gesicht ist noch für jene Tage.“
Da 12,4: „Aber du, Daniel, verschließe die Worte und versiegle das Buch bis zur Zeit des Endes. Viele werden umherstreifen, und die Erkenntnis wird sich mehren. …“
Nicht so in der Off: Johannes wird aufgefordert, das Gesehene nicht zu versiegeln, weil die Zeit „nahe“ ist: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches, weil die Zeit nahe“ war. (22,10)
3. Die Off ist ein Brief.
Die Off ist ein Rundschreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien (in der römischen Provinz „Asia“ (1,4-6; 1,9). V. 11: „Was du siehst, schreibe in ein Buch und verschicke an die Gemeinden, die in Asien sind, nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamos und nach Thyateira und nach Sardeis und nach Philadelphia und nach Laodikeia.“
Es gibt einen Briefkopf (1,1-8) und einen Briefschluss (22,6(9) -21).
Johannes schrieb den Brief von Patmos aus. Er war dort „wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses von Jesus Christus“ (1,9). Er war „Mitteilhabender an der Bedrängnis und am Königreich (o.: Königtum) Christi und an dem standhaften Ausharren für ihn“ (1,9). Er steht in denselben Leiden wie die Christen, von denen in diesem Buch die Rede ist. Er steht in den demselben Ausharren, d. h., er ist ebenso wie jene Heiligen von K. 13 aufgefordert, auszuharren. Und er wird teilhaben an demselben Königreich.
Das Besondere an einem Brief ist, dass er an spezifische Empfänger gerichtet ist. Johannes schreibt über ihre Situation, er spricht die damalige Situation an. Freilich wurden Briefe kopiert und weitergegeben, weil auch andere davon lernen konnten und wollten (Kol 4,16), aber es sind nicht die Leser späterer Jahrhunderte, die hier direkt angesprochen sind.
Je spezifischer der Inhalt eines Briefes die Gegebenheiten der Empfänger anspricht, desto wichtiger ist es, dass die Leser des weiteren Kreises sich bewusst sind, dass der Brief sich nicht direkt an sie richtet.
Das sollte man auch beachten, wenn man diesen Brief liest.
4. Die Off ist ein Bilderbuch.
Über die Bilder
Die Botschaft wurde „gezeigt“, d. h. der Prophet sah Bilder und Symbole in Gesichten. „Und er zeigte sie an“ (Off 1,1). Man könnte das Wort auch übersetzen mit „er tat sie durch Zeichen kund“.
Die meisten Motive und Bilder sind aus dem Alten Testament (AT). Das AT wurde damals viel gelesen, und viele Gemeinden waren noch stark vom jüdischen Hintergrund geprägt. Die Bilder richteten sich an das geistliche Verständnis der Christen. Wir Menschen können geistliche, himmlische Wirklichkeiten nur durch Bilder und Symbole verstehen und erkennen.
Im AT deuteten irdische Schattenbilder auf geistliche Wirklichkeiten hin. Der Heilige Geist verwendete Bilder aus dem AT, um die geistlichen Wirklichkeiten darzustellen.
Die Off ist ein Tempelbuch. Viele Bilder sind vom alttestamentlichen Tempeldienst genommen bzw. vom „Zelt der Zusammenkunft“ (der so gen. „Stiftshütte“), dem Zelt der Begegnung. Die vollendete neue Welt, das „neue Jerusalem“ (K. 21 und 22), ist die Erfüllung dessen, was der alttestamentliche (atl.) Tempel darstellte.
Ein zweiter Grund für die vielen Symbole und Bilder in der Off war, dass dadurch den Feinden Christi die Botschaft des Buches verborgen bleiben sollte.
Der Ausdruck „… zeigte sie an“ bzw. „tat sie durch Zeichen kund“ bedeutet nicht, dass Gott in Form von geheimen Begriffen sprach, sondern in bildhafter Sprache. Hinter den Bildern stehen konkrete Wirklichkeiten, z. B. das „Lamm“ ist Jesus Christus, der „Löwe“ aus dem Stamm Juda (5,5), die „Leuchter“ sind die Gemeinden (1,20); die Kleider, die im Blut des Lammes gewaschen werden, werden „glänzend weiß“, d. h., sie werden rein.
Damals in den Städten der römischen Provinz Asia gab es viele „Bilder“, d. h. Standbilder, Kaiserstatuen, Ikonen, auch rituelle Feste. Es gab auch klüglich ausgedachte „Wunder“ (Tricks), um die Massen zu begeistern. (Vgl. S. J. Scherrer: Sings and Wonders in the Imperial Cult, JBL, 103 (1984), S 599-610.)
Bilder sind aussagekräftig. Das AT ist voll davon. In der Off finden wir Parallelen (z. B., der Drache, die alte Schlange, steht parallel zu Jes 27,1 und 1M 3), Gegensätze (z. B. das „Zeichen“ bzw. der „Name“ an der Stirn oder rechten Hand von Off 13,16-18 steht parallel zu dem Zeichen an der Stirn und Hand von 2M 13; 5M 6 ) und Anspielungen (Z. B. der Satz in Off 12,14 „der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste an ihre Stätte flöge, dorthin, wo sie ernährt wird“ ist eine Anspielung auf 2M 19,4.)
Das Bild von der Hure ist ein im AT wohlbekanntes. Jerusalem, die „Tochter Zion“, stand im AT oft für das Volk Gottes als gesamtes. Jerusalem galt als die mit Gott verheiratete Frau. Aber Jerusalem wurde zur „Hure“, zur unzüchtigen Ehefrau, weil sie Gott verließ (Jes 1,21), und danach „einer Witwe gleich“ (Klg1,1; vgl. Off 18,7).
Die „Posaunen“ (K. 8-11) und „Schalen“ (K. 15.16) bilden ein schematisiertes Bild. Die Motive sind entnommen aus der Zeit des Auszugs (lat.: Exodus) Israels unter Mose (2M 8-11) und des Einzuges unter Josua (Jos K. 3-6: Austrockung des Flusses für das israelitische Heer) und von der Heuschreckenplage zur Zeit Joels (Joe 1 und 2).
Für das rechte Verständnis der Bilder ist von großer Bedeutung, dass der Leser erkennt: Es sollen Assoziationen (Gedankenverbindungen) hergestellt und Eindrücke vermittelt werden, z. B. Eindrücke vom schrecklichen Gerichtseingreifen Gottes – in den K. 8 und 9 in Form von Warngerichten (wo es noch Verzögerungen gibt, damit die Menschen Buße tun) und in K 16 in Form von Schlussgerichten (ohne Verzögerung, weil die Menschen nicht Buße getan haben).
Im Text gegebene Deutungen der Bilder
Es gibt im Text selber zahlreiche Erklärungen und Verständnishilfen bzw. Orientierungshilfen:
Lamm und Löwe sind dieselbe Person, Jesus Christus (K. 5)
Die „sieben Sterne“ sind die Boten der sieben Gemeinden, die „sieben Leuchter“ sind die Gemeinden (1,20).
Die „sieben Fackeln“ stellen Gott als vollkommenes Geistwesen dar (4,5).
Die „sieben Hörner“ und „sieben Augen“ stellen Gottes große Macht (Hörner) und Allgegenwart (Augen) durch seinen Geist dar (5,6).
Das „Räucherwerk“ auf den Schalen sind die Gebete der Heiligen (5,8)
Die „große Stadt“, die „Sodom“ und „Ägypten“ heißt, wird mit der großen Stadt identifiziert, wo der Herr gekreuzigt wurde (11,8), also mit Jerusalem.
Der große „Drache“ (Zerstörer) ist „die alte Schlange“ (der alter Verführer), der auch „Teufel“ (Querwerfer) und „der Satan“ (Widersacher) genannt wird (12,9). Er ist identisch mit dem von 20,2.
Die „Gestalt auf den Wolken, die als Menschensohn beschrieben wird, entspricht dem wiederkommenden, richtenden Herrn (Off 14,14; vgl. Dan 7,13).
Die „sieben Häupter“ des Tieres sind „sieben Berge“, auf denen die Hure sitzt, und sie sind „sieben Könige“.
Die „zehn Hörner“ sind mit dem Tier gleichzeitig auftretende und zusammenarbeitende Könige. (17,9-12)
Die „Frau“ (K. 17) wird als „große Stadt“ (17,18) bezeichnet und als „Hure“ (17,1-3) – ein Gegenpart zur Braut. (Vgl. 17,1 mit 21,9.)
Hintergrund, Ziel und Zweck
Was ist der historische und politische Hintergund? Was ist Ziel und Zweck des Buches?
Johannes schrieb unter Eingebung des Heiligen Geistes. Er hat das Anliegen, die Christen jener Zeit auf eine große Krise vorzubereiten, die noch im ersten Jahrhundert kommen würde. An die Gemeinde in Philadelphia sagte der Herr (3,10): „Weil du das Wort meiner Ausdauer bewahrtest, werde ich dich auch bewahren vor der Stunde der Prüfung, die über das ganze Weltreich kommt zu prüfen die, die im Land (o.: auf der Erde) wohnen.“
Die Gefahr für die Heiligen bestand darin, sich an die Lehre derer, die sie bedrängten, die Juden, anzupassen und mit dem jüdischen System Kompromisse einzugehen. Auf diese Weise würden sie letztlich Christus verleugnen. Damit würde man das Kennzeichen (Malzeichen) des Tieres annehmen, anstatt bereit zu sein, für Christus in den Tod zu gehen.
Nicht nur die sieben Botschaften in den K. 2 und 3, sondern auch die K. 4 bis 22 sind an jede der sieben Gemeinden gerichtet. Was dort geschrieben ist, betrifft in erster Linie jene damaligen Christen.
Je spezifischer der Inhalt eines Briefes ist, desto wichtiger ist es, zu bedenken, an wen der Brief direkt gerichtet ist. So ist es auch mit den Briefen des Neuen Testaments. Wir lesen z. B. den Philemonbrief; seine Botschaft ist sehr spezifisch. Wir entnehmen dem Brief wichtige Lehraussagen und Prinzipien, die wir für uns persönlich anwenden können. Wir lesen ihn jedoch nicht so, als ob er direkt an uns gerichtet wäre. Wenn dort steht, dass man dem Apostel Paulus eine Herberge bereiten solle, wissen wir, dass nicht wir angesprochen sind, sondern Philemon.
In vieler Hinsicht ist die Botschaft der Off von immenser Bedeutung und enthält wichtige Lehraussagen und Prinzipien. Wir können also sehr viel daraus lernen. Wir erkennen möglicherweise Parallelen zu unserer gegenwärtigen Situation. Aber wir müssen bedenken, dass die spezifische Botschaft in erster Linie direkt auf die Situation der Christen des ersten Jahrhunderts zutrifft. Sie haben eine große Prüfungszeit (3,10) und einen großen Kampf (K. 11-15) – zu erwarten. Und die Zeit ist für sie nahe.
Die Off ist ein Rundbrief an sieben Gemeinden in Kleinasien. Johannes wusste, dass auch andere zeitgenössische Christen (die „ein Ohr“ haben) jenen Brief lesen würden. Ihm war klar, dass die gesamte damalige Christenheit die Botschaft jenes Briefes nötig hatte.
Wir Christen heute leben nicht in derselben Situation wie sie. Die sieben Botschaften in den K. 2 und 3 sind sehr spezifisch. Christus spricht individuell zu jeder Gemeinde. Verschiedene Probleme werden angesprochen und verschiedene Reaktionen erwartet. Aber diese Botschaften stehen nicht für sich, sie sind nicht unabhängig vom Rest des Briefes. Sie dienen vielmehr als Einleitung zur Hauptbotschaft der Kapitel 4 bis 22.
Dass die sieben Botschaften als Einleitung gedacht sind, ist auch aus dem jeweiligen Ende derselben ersichtlich. Sieben Mal werden die Christen aufgefordert zu überwinden. Und den Überwindern wird eine Verheißung gegeben (2,7.11.17.26-28; 3,5.12.21-22). Der erhöhte Herr verspricht den Überwindern das Heil, die ewige Rettung. Sieben Mal lesen wir in K. 2 und 3 diesen Aufruf. Es ist für die Leser (Hörer) von höchster Bedeutung, dass sie überwinden. Gespannt stellt sich den damaligen Christen die Frage: „Was genau ist es, das es zu überwinden gilt? Und wie können wir überwinden?“
Die Antwort auf diese beiden Fragen wird in den K. 2 und 3 nicht sofort und eindeutig gegeben, aber später im Brief (vor allem in den K. 11-15) wird klar, was es ist, das sie überwinden sollen, worin der Sieg besteht und wie man überwinden kann.
Die Überwinder-Verheißung kommt noch ein achtes und letztes Mal vor – in 21,7: „Wer überwindet, wird es alles erben.“ Und inzwischen ist – aufgrund der K. 4-20 – klargeworden, dass es sich um einen großen Kampf handelt. Der Aufruf zum Überwinden ist ein Aufruf, sich an der Schlacht zu beteiligen: „Kämpfe! Und kämpfe ausharrend! Und kämpfe zusammen mit deinen geistlichen Geschwistern, damit du das eschatologische Ziel erreichst! Wenn du nicht kämpfst bis zum Tode kämpfst, wirst du es nicht erreichen.“ Es geht letztlich darum, den Christen in Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea – und allen anderen Christen des ersten Jahrhunderts, die diesen Brief zu lesen bekommen – zu zeigen, wie sie ins „Neue Jerusalem“ kommen können.
Zusammenfassung
Das Buch der Off ist eine apokalyptische Weissagung in Briefform.
Diesen Kategorien (Weissagung, Apokalypse, Brief) ist beim Studium der Off Rechnung zu tragen. Das bedeutet, dass das Buch aus verschiedenen Perspektiven zu lesen ist.
Die Off ist nicht nur ein Trostbuch für leidenden Christen mit der Botschaft, dass Gott eingreifen und sie rechtfertigen wird, sondern auch eine Warnung und ein Aufruf zur Treue. Sie ist gerichtet an Christen, die in den sechziger Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts lebten. Bei manchen von ihnen ist die Liebe zu Christus verkümmert; einige sind arm und verfolgt; einige stehen in Gefahr kompromissbereit zu werden; einige sind bereit, falsche Lehre zu dulden; andere sind „am Schlafen“, sind geistlich so gut wie tot; manche sind selbstgenügsam. Einige sind bereits auf Abwege geraten, indem sie auf „Isebel“, die „falsche Prophetin“, gehört haben. Die Gefahr, dem Tier zu huldigen, das Malzeichen anzunehmen und in der großen bevorstehenden Prüfungszeit zu versagen, ist groß. Das Tier könnte für sie eine Versuchung werden, der sie nicht widerstehen können. Nun aber sollten sie für die große Schlacht vorbereitet werden.
Die K. 4-22 in der Off zeigen auf, worum es in dieser Schlacht geht, wie man die Schlacht gewinnt und was das konkret für die Christen von Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodikeia bedeutet. Die K. 1-3 bilden die Einleitung zur Hauptbotschaft, den K. 4-22.
Johannes hatte wohl einen weiteren Kreis von Empfängern im Auge als nur jene sieben Gemeinden, denn es gab im westlichen Kleinasien mehr als sieben Gemeinden (z. B. in Kolossä, Hierapolis, Troas, Milet), und die sieben Gemeinden haben Merkmale von vielen damaligen Gemeinden. Der Brief war letztlich für alle Christen jener Zeit relevant. Wer ein Ohr hatte, sollte hören, was der Geist den Gemeinden sagte. – Und was sagte der Heilige Geist? – Genau das, was Johannes in Off 1-22 schrieb! Alle damaligen Gemeinden sollten hören, was der erhöhte Herr zu sagen hatte.
Die prinzipielle Botschaft ist auch auf Christen heute anwendbar und für sie hilfreich, wenn sie den historischen Kontext beachten. Man kann Parallelen für die Situation an unseren Orten und zu unserer Zeit ziehen, aber man darf nicht außer Acht lassen, dass es auch große Unterschiede gibt.
Der historische Zusammenhang ist heute ein völlig anderer. Man wird also unterscheiden müssen zwischen direkter Auslegung einerseits und persönlicher (oder allgemeiner) praktischer Anwendung andererseits.
Hinweise zur Interpretation
Beim Erforschen der Off hat man so vorzugehen wie bei der Erforschung der anderen Bücher der Bibel. Es sind die üblichen Regeln der Auslegung (Exegese) zu beachten.
Wir stellen uns die Fragen: Wer schrieb wann, an wen und mit welcher Absicht?
Die Off ist ein Brief an eine bestimmte Empfängergruppe. Was erfahren wir über sie?
Was erfahren wir über die Drinlichkeit der Botschaft.
Warum war die Botschaft des Briefes für die damaligen Briefempfänger von so großer Bedeutung?
Wo finden wir Hilfen, um die vielen Bilder in der Off richtig zu deuten? In der Off selber. K. 17 z. B. ist voller Erklärungen über die Bilder der Off.
Im Übrigen ist daran zu denken, dass die Leser der Off gewohnt waren, das AT zu lesen. Im AT finden wir den Hintergrund für die meisten Bilder und Begriffe dieses Briefes.
Eine der ersten Fragen wird sein: Wer (oder was) ist jene „große Stadt“ (die zusätzlich eine „Hure“ genannt wird), von der in den K. 11-18 so viel die Rede ist (Off 11,8; 14,8; 16,19; 17,18; 18,10.16-21). Und wer (oder was ist die andere „große Stadt“, die als „Braut“ beschrieben wird (Off 21,10 n. d. Byzantinischem Text)?
Es ist offensichtlich, dass diese beiden Städte gegenübergestellt werden. In welchem Buch (oder in welchen Büchern) des AT werden diese beiden Städte noch gegenübergestellt?
Die Off selber erklärt (Off 17,18): Die „Hure“ Babylon ist die Stadt, „die die Königsherrschaft über die Könige des Landes“ hat bzw. hatte. Die ihr gegenübergestellte Stadt heißt das „neue“ Jerusalem.
Eine Hilfe zur Identifizierung der Hure können die folgenden Stellen sein: Off 11,8; 16,19; 18,4.7.20.24; 19,2 im Vergl. m. Lk 11,49-51 und Mt 23,34-37; ebenso die alttestamentlichen Stellen Jes 1,21; Jer 3; Hes 16 und 23.
Der Begriff „Erde“ sollte in den meisten Fällen in der Off besser mit „Land“ übersetzt werden, zumal er im Gegensatz zum „Meer“ steht. In vielen Fällen bezieht er sich auf das verheißene Land.
Ebenso sollte das Wort „Völker“ (Elberfelder: „Nationen“) mit „Heiden“ übersetzt werden. Dieser Begriff bezeichnet in der Off häufig die durch ihren Unglauben zu „Heiden“ bzw. „Unbeschnittenen“ gewordenen Juden (Vgl. Off 2,9; 3,9; Joh 8,39-44; Ps 2,1 iVm Apg 4,25ff; Hes 2,3.)
Aus Off 1,1.3 und 22,10 (im Vgl. mit Dan 8,26 und 12,4.9) geht hervor, dass die in dem Brief der Off vorausgesagten Dinge sich in absehbarer Zeit erfüllen sollten. Alle Zeitaussagen sind im üblichen Sinne aufzufassen.