Herbert Jantzen 1922-2022

Zu leben ist für mich Christus, und zu sterben Gewinn.

(Philipper 1,21)

Herbert Jantzen
12. 9. 1922 – 2. 2. 2022

«Herr, mache, dass die Leute an dich denken, wenn ich sterbe; und dass die Leute sich an dich erinnern, wenn sie an mich zurückdenken.» (Herbert Jantzens Schlussgebet anlässlich einer Philipperbrief-Auslegung)

Herbert Jantzen ist am Donnerstag, 2. Februar 2022, 13:15 Uhr (lokale Zeit) von Gott nach Hause in die himmlische Herrlichkeit gerufen worden. Er wird am 19. Febr. um 10 Uhr (mitteleuropäische Zeit 19 Uhr) beerdigt. (Die Beerdigung wird live übertragen. Teile von den Beiträgen werden auch auf Deutsch zu lesen sein). Siehe die Webseite des Bestattungsinstitutes (Link unten). Der Link für die Live-Übertragung selber ist am Ende der Todesanzeige auf der Webseite. Dort einfach auf das Wort „Livestream“ klicken (oder auf den Direktlink, den ich unten einfüge).

Der Stream wird 10 Minuten vor Beginn aufgeschaltet werden. Der Livestream-Link funktioniert also erst dann.

Webseite des Beerdigungsinstitutes:

Direktlink: https://livestream.com/sfhkelowna/events/10149962

Für Herbert Jantzen, mit dem ich die letzten 26 Jahre zusammenarbeiten durfte, ist am 2. 2. 22 ein überreiches und erfülltes Erdenleben zu Ende gegangen. Herbert hat bis zuletzt für Gottes Volk gekämpft und nun seinen Lauf vollendet. Er durfte durch Gottes Gnade 99 Jahre alt werden.

Den Söhnen Clair und Wesley und der Tochter Ruth möchten wir unser Mitgefühl und unsere Verbundenheit im Glauben ausdrücken.

Thomas Jettel

Aus der Todesanzeige

Vater starb am Mittwoch, dem 2. Februar 2022, im Alter von 99 Jahren in der Glenmore Lodge in Kelowna, BC. Er hatte sich eine Woche zuvor mit Covid infiziert, und es war einfach zu viel für den alten Soldaten. Er hat jetzt saubere Luft, gute Lungen, ein neues Paar Beine und wir sind uns ziemlich sicher, dass Mama ihn in den Tanzkurs eingeschrieben hat, als sie am 10. Dezember 2020 im Himmel ankam. Sie hat am Rande des Himmels gewartet zusammen mit ihrer Tochter Dawn, ihrer Enkelin Hyalite und ihrer Urenkelin Audrey, in Erwartung, dass er mit ihnen einen Teppich schneidet. Der Himmel wird viel besser sein, als du es je erwartet hast, Dad.

Vater wurde in Hepburn, SK, auf einer Farm geboren, die von seinen Eltern John und Sarah (Willems) Jantzen betrieben wurde. Er war der älteste von 5 Jungen, darunter Clarence, Cliff, Norman und Harvey. Er war ein ernsthafter junger Mann, der oft über die Felder wanderte, nicht um die Getreidequalität zu überprüfen, sondern um mit Gott zu sprechen und von der Zukunft zu träumen. Er war kein großer Landarbeiter, obwohl er ziemlich gut mit der Steinschleuder umgehen konnte und drei von vier Scheiben in einem Scheunenfenster einschlug, bevor er erkannte, wie gut er wirklich war, und beschloss, aufzuhören und mit seinem Vater ins Reine zu kommen. O dieses Gewissen!

Seine mennonitische Erziehung förderte eine Haltung der Gewaltlosigkeit, die er sein ganzes Leben lang beibehielt – er nahm das Sprichwort wörtlich: „Gib den Streit auf, bevor er ausbricht.“

Seine pazifistische Haltung schloss jedoch nicht aus, dass er die Bemühungen der Alliierten unterstützte, das Vordringen der Tyrannei in Europa zu stoppen, und so trat er als Krankenträger in das Sanitätskorps ein. Er diente in England und dann in den Niederlanden, wo ein anderer Scharfschütze, ein deutscher Soldat, der hinter der schnell vorrückenden kanadischen Linie gefangen war, seine Militärkarriere mit einem Schuss durch den Arm beendete, als er dem Ruf nach einem Sanitäter folgte, um einem anderen gefallenen Soldaten beizustehen.

Nach seiner Genesung in Holland und England und einer Bootsfahrt zurück nach Kanada besuchte er das College in Winnipeg, um Theologie zu studieren und nach Europa zurückzukehren.

Während er in einem Sommercamp in Saskatchewan arbeitete, sah er eine schlanke junge Co-Beraterin namens Caroline Janzen (er scherzte immer, dass sie ihr Kreuz aufnahm und ihm folgte!). Als er kurz vor seinem 29. Geburtstag stand, begierig darauf, sein Dienstleben zu beginnen, verschwendete er keine Zeit, ihr Herz zu gewinnen und sich nach ihrem Interesse zu erkundigen, ihr Leben nicht nur mit ihm, sondern fern von ihrer Familie auf fremdem Boden zu verbringen. Sie waren sich einig und kaum zwei Monate später, im Oktober 1951, heirateten sie.

Mit Jonathan Wesley „Israel“ (geb. 1952) im Schlepptau segelten sie an Bord der Saxonia von Montreal nach Den Haag. Nach einem Jahr in den Niederlanden und der Geburt eines zweiten Sohnes, Claire Hudson (geb. 1954), gingen sie nach Deutschland, wo sie 15 Jahre lang lebten und arbeiteten und zwei Töchter bekamen, Dawn Joy (1955) und Ruth Annette (1958). Unsere Eltern dienten bei mehreren Missionsagenturen und arbeiteten mit internationalen und einheimischen Schülern. Das bedeutete, dass unser Zuhause unweigerlich von den Klängen deutscher, libanesischer, französischer, iranischer oder marokkanischer Sprachen erfüllt war, die sich an einem mit Kuchen und Kaffee beladenen Tisch unterhielten, junge Menschen, die Verbindung und Gastfreundschaft in einem fremden Land suchten und bei Menschen willkommen waren, die glaubten, dass alle an den Tisch gehörten, unabhängig von Sprache, Hautfarbe oder Glaubensausdruck.

Eine Einladung, sich an der neu gegründeten Freien Evangelisch-Theologischen Akademie zu engagieren, wurde bejaht und bedeutete 1970 einen Umzug nach Basel, Schweiz, wo sie fast 30 Jahre lebten und lehrten. Wir Kinder flogen von dort aus «aus dem Stall» und ließen sie zurück, wissend, dass ihr Nest niemals wirklich leer sein würde, solange um ihren Tisch Platz für einen weiteren forschenden Geist oder ein suchendes Herz war.

1999 beendeten sie ihr Leben in Europa und „zogen sich zurück“ nach Kelowna. Nachdem sie sich eingelebt hatten, unternahmen sie jährliche Reisen zurück nach Europa, um wieder mit denen in Kontakt zu treten, denen sie im Laufe der Jahre gedient hatten.

Im Laufe der Jahre hat Dad eine Vielzahl von Büchern über Gemeinde und Theologie verfasst oder mitverfasst, darunter eine hebräische und eine griechisch-deutsche Übersetzung der gesamten Bibel.

Ein ziemlich «sitzender Lebensstil» führte zu einer schlechten Durchblutung und schließlich zu einer doppelten Amputation seiner Beine unterhalb des Knies. Aber er machte weiter, wurde im Alter von 95 Jahren für Prothesen angepasst und ging fünf Tage die Woche eine Stunde pro Tag. Das vergangene Jahr war hart für Vater, da Mama nach 5 Jahren Demenz starb, Tochter Dawn im Juli 2021 an Krebs starb und auch aufgrund der Isolation wegen der Pandemiebeschränkungen.

Diejenigen von uns, die bleiben, sind erleichtert zu wissen, dass Vaters Leben an einem Ort weitergeht, wo es keine Tränen gibt, wo die Sonne niemals untergeht und wo sein himmlischer Hirte, den er liebte und dem er diente, dafür sorgt, dass alle seine Bedürfnisse befriedigt werden.

Auf die Wiedervereinigung warten Sohn Israel Jantzen, Sohn Clair (Rachel) Jantzen, Tochter Ruth und Schwiegersohn Ed Warkentin; Enkel, Danielle (Shaun Fell) und Warren (Marika) Jantzen, Amy (Charlie) Heyn, Josh (Alana) Warkentin, Jenice (Matt) Wallace, Juan (Lisa) Warkentin und Luke Pickett; Urenkel Riley, Ethan, Avery, Myranda, Vanessa, Austin, Elizabeth, Rebekah, Kaylianne, Mikhail, Mabel und Emma; Mutters verbleibender Bruder Doug (Lora) Janzen und Familie; und die Familie von Bruder Hank.

Clair Jantzen

Gedanken zu seinem Heimgang

Heb 13,7.8: Denkt an eure Leitenden, die, welche euch das Wort Gottes sagten. Schaut euch den Ausgang ihrer Lebensführung an und ahmt ihren Glauben nach.  8 Jesus Christus ist gestern und heute derselbe – und in Ewigkeit.

2Tm 4,7.8: Ich habe den edlen Kampf gekämpft. Ich habe den Lauf vollendet. Ich habe den Glauben bewahrt.  8 Hinfort liegt der Siegeskranz der Gerechtigkeit für mich aufbewahrt, den der Herr, der gerechte Richter, mir an jenem Tage zuerkennen wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung geliebt haben.

Ps 116,15: Kostbar ist in den Augen Jahwehs das Sterben seiner Getreuen.

Ein kostbares und erfülltes Leben ist zu Ende gegangen. Gott hat einen Diener seiner großen Armee von Kämpfern für die Wahrheit mit nach Hause genommen. Herbert war Evangelist, Missionar, Lehrer, Buchautor und Bibelübersetzer. Seine besondere Fähigkeit bestand darin, die Schrift Vers für Vers zu erläutern, hauptsächlich die Briefe des NT.

Ich erinnere mich, als ich Br. Jantzen 1978 zum ersten Mal in der Schweiz traf: Er war in den Jahren 1970 – 1980 Professor für Dogmatik am Theologischen Seminar in Basel.

Es gab eine Tagung und in den Pausen unterhielten sich die Studierenden gerne mit ihm über biblische Fragen. Er war von einer Gruppe von Studenten umringt und ich stand hinten und versuchte, ein paar Worte zu verstehen; er sprach mit diesen Studenten über eine schwierige Bibelstelle in Römer 9. Ich war beeindruckt von der Art und Weise, wie er schwierige Texte erklärte. Ich sehnte mich danach, mehr zu hören.

Zwei Jahre später war ich einer der Studenten am Theologischen Seminar in Basel. Aber ich hatte nur eine Unterrichtsstunde pro Woche bei Prof. Jantzen. Und ein Jahr später verließ er die Theologische Akademie, um in Gemeinden zu unterrichten. Das tat mir sehr leid.

Fünfzehn Jahre später, 1996, traf ich ihn in der Schweiz wieder, als er in einem Gottesdienst predigte. Damals hatte ich viele für mich ungelöste Fragen zur Bibel. Ich fragte ihn, ob er Zeit für mich hätte. Ein paar Tage später besuchte ich ihn. Er war damals ungefähr 74 Jahre alt. Er saß da und beantwortete geduldig meine Fragen.

Danach fragte ich ihn: „Was sind Ihre Projekte? Brauchen Sie Hilfe?“

Er sah mich mit großen Augen an: „Wollen Sie mir helfen?“

Ich sagte: „Gerne!“ – Er sagte: „Nun, ich kann Ihnen keine finanzielle Unterstützung geben. Aber wenn Sie etwas für den Herrn tun wollen – ich habe viel Arbeit.“ –

An diesem Tag begann eine fast 26-jährige Zusammenarbeit.

Im Laufe vieler Jahre hatte er im Rahmen seiner Auslegungsarbeit eine große Anzahl von Texten aus dem griechischen NT direkt ins Deutsche übersetzt, denn er war mit den vorhandenen deutschen Bibelübersetzungen nicht so recht zufrieden gewesen. Später baten ihn Leute, seine privaten NT-Übersetzungen zu veröffentlichen. Also nahm er sich Zeit und arbeitete an einer exakten Übersetzung. Ich hatte das Privileg, ihm bei der Übersetzung und den Fußnoten beizustehen. 2007 wurde die NT-Übersetzung herausgegeben, zwei Jahre später folgte das Buch der Psalmen und später das Buch der Sprüche.

Er schrieb auch insgesamt 14 (kleine) Bände über „Die christliche Lehre“. Einige davon wurden ins Russische übersetzt. Einige warten noch auf die Veröffentlichung (Verlag FriedensBote, Deutschland).

Wo immer Herbert Jantzen Gottes Wort lehrte, machte er sich Notizen, indem er kleine „Zettel“ verwendete. Beim Unterrichten benutzte er diese Notizen und redete stundenlang. Die Schüler waren neugierig, was auf diesen kleinen Blättern geschrieben stand. Also haben sie in der Pause geschaut. Und sie waren erstaunt, als sie herausfanden, dass auf den Notizen nur wenige Wörter standen! Den Rest hatte er frei referiert – stundenlang.

Herbert Jantzen wurde in vielen Ländern geschätzt, nicht nur in Holland, Deutschland, Kanada, den USA und der Schweiz, sondern auch in der ehemaligen Sowjetunion, sogar in Jordanien.

Als ich in Kasachstan und Sibirien in mehreren Gemeinden predigte und lehrte, kannten mich die Gläubigen dort zunächst nicht und waren irgendwie zurückhaltend. Aber als ich erwähnte, dass ich ein Mitarbeiter von Herbert Jantzen bin, gingen die Herzen auf und die Zurückhaltung war weg. Er war in den Gemeinden der GUS (ehemaligen Sowjetunion) wohlbekannt! Auch als ich in der Ukraine und in Moldawien und an anderen Orten war, war es genauso: Immer, wenn ich seinen Namen erwähnte und sagte, ich sei ein Mitarbeiter von ihm, gingen die Türen und Herzen der Geschwister für mich auf.

Was mich sehr beeindruckte, war die sorgfältig gewählten Worte in seinen Gebeten und auch genaue Ausdrucksweise im Lehren des Wortes Gottes. Sein ganzes Leben lang studierte er eifrig die Bibel, er blieb ein „ständig Lernender“, ein Forscher und Schüler des Wortes Gottes. Oft sagte er: „Fragen Sie stets: Wie steht es eigentlich geschrieben? Was eigentlich sagt der Bibeltext? Was genau lehrt das Wort Gottes in diesem und jenem Punkt?“

Ich glaube, er war wirklich ein Mann des Gebets.

Und er war ein fleißiger Arbeiter, der viele Stunden des Tags und des Nachts studierte, um das Buch der Bücher besser kennenzulernen und es anderen besser erklären zu können.

Und er war bereit, von der Schrift korrigiert zu werden. Er war bereit, seine Ansichten über gewisse Lehrinhalte oder Bibelstellen zu ändern, wenn er herausfand, dass das Wort Gottes nicht wirklich das sagt, was er geglaubt hatte. Er war bereit, auf seine Brüder und Schwestern im Herrn zu hören, egal wer es war und wie alt (im Glauben) die Person war. Diese Einstellung hat er bis zu seinem Lebensende beibehalten.

Er war ein ehrenhafter Mann. Er machte in seinen Predigten keine Witze, er benutzte keine Phantasiegeschichten, nichts, was er nicht vorher verifiziert hatte. Er lehrte viel in theologischen Seminaren, auf Bibelschulen und Konferenzen.

Aber am liebsten sprach er mit den einfachen Gläubigen in den Gemeinden. Er sagte, warum sollte guter und gründlicher Unterricht nur den Studenten theologischer Seminare und Bibelschulen vorbehalten sein? Jede Person, die den Heiligen Geist hat, ist in der Lage, über die wertvollen Themen der Bibel nachzudenken.

Das Thema „Sterben“ beschäftigte ihn oft. Als er auf einer Lehrdienst-Reise von Kanada nach Europa ging, schickte er mir, ehe er ins Flugzeug stieg, eine Nachricht: „Falls wir auf diesem Flug sterben, schicke ich dir hier im Voraus meine Vorbereitungen für die Bibelstudien, die ich in Europa unterrichten werde. –

Ich erinnere mich, wie er zu mir sagte: „Es ist so wichtig, dass ich alles für den Tag vorbereite, an dem der Herr mich nach Hause holt.“ (Das war vor ungefähr 20 Jahren.)

Herbert Jantzen ist eine große Ermutigung für uns alle, eine Motivation, unser Leben ganz unserem Herrn und Retter Jesus Christus zu weihen – und dem Werk, von dem der Herr von uns möchte, dass wir es vollbringen.

Thomas Jettel

Über den Tod

. Es mag – und wird – viele Faktoren geben, die zum Tod eines Individuums beitragen. Letztlich ist es Gott, der den Moment unserer Begegnung mit ihm bestimmt.

. Der Tod kommt meistens überraschend.

. Wir sollten den Tod ernster nehmen. Schließlich ist er ein Feind, sagt der Apostel.

Es gibt solche, die vor einer Leiche zurückschrecken. Sie können dem Tod nicht ins Auge sehen, wollen lieber nicht daran denken.

Auf der anderen Seite, da gibt es diejenigen, die zu schnell vom „Kreislauf des Lebens“ sprechen oder sagen: „Das Leben geht weiter“.

Aber woher wissen wir, dass das Leben weitergeht? In dem Falle der Leiche, die hier vor mir liegt, hat es aufgehört! Und wer weiß – vielleicht bin ich der Nächste, der aus der Reihe der Lebenden aussteigt!

Wenn wir etwas lernen, wenn wir vom Tod eines Menschen hören, dann ist es Folgendes: dass das Leben nicht weitergeht, unser eigenes eingeschlossen.

Dass der Tod weniger ernstgenommen wird, zeigt sich in der Art und Weise, wie wir bei Beerdigungen sprechen.

Wir sagen: „Wir feiern“. Wirklich? Oder kann es sein, dass wir den Ernst des Lebens beiseiteschieben?

„Wir feiern das Leben …“ Warum nicht den Tod? Warum sich dem nicht stellen und an die Ewigkeit denken und wo wir sie verbringen werden?

Herbert Jantzen

Stationen aus seinem Leben

Herbert John Jantzen wurde 12.09.1922 im Westen Kanadas geboren. Mit 12 Jahren traf er seine persönliche Entscheidung für den Herrn Jesus Christus.

Den Besuch der höheren Schule unterbrach er, um das Bethany Bible Institute in Hepburn zu besuchen. Später holte er die Matura nach. Am Mennonite Brethren Bible College in Winnipeg studierte er Theologie und Erziehungswesen.

Danach diente er von 1951 bis 1954 als Bibelschullehrer, Evangelist und Pastor in Gemeinden Kanadas.

1954 zog er mit seiner Familie nach Europa, wo er seinen geistlichen Dienst fortsetzte mit ausgedehntem Lehr- und Missionsdienst.

1971 bis 1981 war er Dozent und Professor für Dogmatik und Weltanschauungskunde an der Freien Evangelisch-Theologischen Akademie, FETA, tätig (heute Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel).

Danach war er mehrere Jahre Gastdozent an der Freien Theologischen Akademie in Gießen und an verschiedenen Bibelschulen und theologischen Ausbildungsstätten in Europa.

Mit seiner Frau Carol lebte er in Basel, später in Aesch bei Basel, und setzte seinen Dienst in Gemeinden fort. Ihre geistliche Heimat war die Basel Christian Fellowship, später die Gemeinde Evangelischer Christen Birseck. Sie haben zwei Söhne und zwei Töchter, die alle in Kanada leben/lebten (Dawn verstarb vor ca. 8 Monaten).

Herbert Jantzen lebte ca. 45 Jahre in Europa (Niederlande, Deutschland und Schweiz). Nach eigenen Berichten sind er und seine Frau 27-mal umgezogen.

1999 zog er wieder in seine ursprüngliche Heimat Kanada (Kelowna, BC), wo er seinen Dienst fortsetzte nebst weiterer verschiedener Lehrdiensttätigkeit in Europa bis ins Jahr 2011.

Herbert Jantzen berichtet aus seinem Leben

Meine Urgroßeltern lebten in Südrussland. Damals gab es eine Gelegenheit, nach Nordamerika auszuwandern. Einige 1000 nahmen diese Gelegenheit wahr, unter anderem auch meine Urgroßeltern beiderseits. Mein Großvater väterlicherseits war Lehrer. Er blieb dann noch etwa zehn Jahre dort. Aber es war wohl Anfang der achtziger Jahre im 19. Jahrhundert, wo er dann auch mit seiner neuen Familie in die USA kam.

Um die Jahrhundertwende gab es eine Gelegenheit, im Westen Kanadas Land zu erwerben. Diese Gelegenheit nahm mein Großvater mütterlicherseits wahr, die auch von der Krim in die USA ausgewandert waren, gemeinsam mit dem Urgroßvater.

Unsere Vorfahren kamen also von Russland in die USA und dann nach Kanada. Dort bin ich geboren, während meine Frau (deren Vorfahren ebenfalls Russland-Deutsche waren) in den Vereinigten Staaten zur Welt kam. Meine Eltern beiderseits wurden ebenfalls in den Vereinigten Staaten geboren.

Aber als meine Frau und ich jung waren, wurde in den Gemeinden, in denen wir uns befanden, immer noch Deutsch gesprochen. Das war möglich, weil das in Kanada durchaus erlaubt war. Die Schulen allerdings wurden in englischer Sprache abgehalten, und so haben wir unsere Ausbildung in Englisch genossen.

Meine Muttersprache ist Deutsch, auch die meiner Frau. Die Schulsprache war in Englisch; studiert habe ich auf Deutsch. Ich habe mehrere christliche Schulen besucht. In den Schulen wurde auch teilweise Deutsch unterrichtet. Als ich studierte, hatten wir einen Professor, der kam von der Krim, wo auch mein Urgroßvater hergekommen war. In der Revolutionszeit dürfte dieser Lehrer auch ausgewandert sein. Er sprach kein Englisch, obwohl er es verstand, so waren seine Vorlesungen auf Deutsch.

Meine Bekehrung: Mit zwölf Jahren kam ich in große Not über meinen verlorenen Zustand, bis ich den Herrn um Vergebung meiner Schuld anrief und Frieden fand.

In meiner Jugendzeit hatten wir keine Pastoren. Ein Laie leitete die Gemeinde. Mein Vater war eine Zeitlang Gemeindeleiter, aber er war nie zur Bibelschule gegangen. Aber der Herr hat ihn gebraucht. Mir aber öffnete der Herr den Weg zur Bibelschule:

Mit 17 brach ich die höhere Schulausbildung ab und besuchte eine Bibelschule. Den Abschluss der höheren Schule habe ich später nachgeholt.

Von Sommer 1944 bis Sommer 1945 war ich in Übersee (Europa) – mit den kanadischen Truppen – als Sanitäter. Kurz vor Ende des Krieges wurde ich verwundet.

Im Herbst 1945 begann ich das Theologiestudium am Mennonite Brethren Bible College in Winnipeg; ich absolvierte 1950.

Während der biblischen Ausbildung war ich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig, hauptsächlich aber im Gesang. Innerlich reifte das Interesse für das Nachkriegseuropa, bis ich mich im Frühling 1951 entschied, mich bei einer Missionsgesellschaft anzumelden, die von einem dynamischen schottischen Evangelisten ins Leben gerufen worden war.

Im Herbst 1951 heirateten Carol und ich.

1954 war es möglich, dem Ruf des Herrn zu folgen, den wir früher bekommen hatten; wir reisten nach Europa.

Als wir uns der europäischen Küste näherten, hatte ich das Bedürfnis, irgendwo auf dem Schiff allein mit dem Herrn zu sein. Ps 81,11 wurde mir gegenwärtig: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande [Kanada] heraufgeführt hat. Öffne deinen Mund weit. Ich werde ihn füllen.” Meiner Unzulänglichkeit war ich mir nur zu gut bewusst. Nun wollte der Herr meinem Munde die Botschaft geben. Auch im Natürlichen wollte er uns versorgen. Diesen zwei „Zusagen” ist er die vielen Jahre hindurch treu geblieben.

Meine Frau und ich erhielten selten einen Monatslohn. Wir arbeiteten einfach im Vertrauen auf den Herrn. Niemandem erzählten wir von unseren Nöten. Wir meinten, das sei der Weg, den der Herr uns führen wollte.

Zuerst waren wir ein Jahr lang in den Niederlanden tätig. Wir dachten, der Herr wolle uns dort gebrauchen. Wir lernten die niederländische Sprache; sie war ähnlich wie das plattdeutsch, das wir sprachen. In dieser Sprache diente ich dort. Wir haben viel evangelisiert. Und der Herr schenkte weit offene Türen. Viele Menschen kamen zum Glauben.

Aber dann führte uns der Herr 1955 deutlich nach Deutschland.

So kamen wir am 5. 5. 55 nach Nürnberg in die dortige Freie Evangelische Gemeinde, die einen regen missionarischen Dienst hatte an verschiedenen Orten in Bayern, in denen ich tätig sein durfte. Gleichzeitig kam ich durch Studenten der Gemeinde in die Arbeit der Deutschen Studentenmission. Diese Tätigkeit, zusammen mit späteren Diensten an Bibelkonferenzen, war eine gute Vorbereitung für die spätere Lehrtätigkeit an der theologischen Hochschule in Basel.

Ab Sommer 1955 war ich viel unterwegs in Evangelisationen und Bibeltagen. Es war eine Zeit des Erntens und des Fragens nach Gott.

1970 wurde ich eingeladen, in das Kuratorium der neu zu gründenden theologischen Hochschule in Basel zu kommen. Als Grundlage alles Lehrens und Lernens sollte die unfehlbare Heilige Schrift dienen. Darauf wurde ich gebeten, die Dogmatik zu übernehmen. So führte der Herr uns in die Schweiz.

Von 1971 bis 1981 war ich Dozent für Dogmatik und Weltanschauungskunde an der Freien Evangelisch-Theologischen Akademie (heute STH) in Basel.

Mit der Zeit wurde mir aber von der Heiligen Schrift her klar, dass nicht auf diesem Wege die Vorbereitung für den Hirtendienst in der Gemeinde stattfinden sollte.

Bereits vor 1970 hatte ich viele Dienste in Basel. In dieser Zeit begannen wir mit englischen Gottesdiensten für die vielen Ausländer. Mehrere Brüder waren bereit, ohne fertige Struktur die Arbeit zu leiten und stets zu fragen „Wie sieht Gemeindearbeit in der Schrift aus?“ Es war eine herrliche Zeit des Lernens. Eine außergewöhnliche Einmütigkeit herrschte im Leitungskreis und in der Gemeinde.

Im Herbst 1980 sah ich mich genötigt, meinen Dienst an der Hochschule zu kündigen. Anfang des Jahres 1981 nahm ich noch die Dogmatik-Examen ab. Damit war mein Dienst an der Hochschule zu Ende.

Darauf waren wir zwei Jahre in Kanada.

Als wir 1983 zurückkamen, begann eine Zeit der Gastvorlesungen an verschiedenen Ausbildungsstätten.

In Gießen lernte ich Studenten aus den neuen russlanddeutschen Gemeinden kennen, die in ihren Gemeinden gerne einen Lehrdienst aufbauen wollten.

Um etwa 1980 lernten wir Russlanddeutsche kennen, die eben nach Deutschland gekommen waren. Als ich in den achtziger Jahren an einer anderen Hochschule in Gießen lehrte, waren dort einige Studenten aus russlanddeutschen Gemeinden zugegen. Deren Anliegen war es, in ihren Gemeinden mitzuhelfen, so dass die große Lücke der Bibelkenntnis, die man im Osten erlebt hatte, gefüllt werden konnte. Sie hatten mehrere Projekte, die sie mir vorlegten. Sie fragten mich, was ich davon hielte; ob ich ihnen helfen könnte. Ich nahm es zur Kenntnis.

Zwei dieser Brüder kamen aus Gemeinden, die es sehr schwer gehabt hatten; die waren etwas zurückhaltend. Aber sie luden mich zu einem Wochenende ein. Dort in Siegwinden, sollte ich über das Thema „Seelsorge“ sprechen. Am letzten Tag dieser kurzen Zeit, fragte einer der Studenten die Brüder: „Was meint ihr, können wir den Bruder Jantzen in unsere Gemeinden einladen?“ Sie waren sehr vorsichtig. – Nun, wir hatten uns kennengelernt, und so bahnte sich ein Dienst in russlanddeutschen Gemeinden an – für viele Jahre: von 1980 bis 2011.

Daneben führte mich der Herr auch zu Diensten in Russland und in der Ukraine.

In der Schweiz hatten wir fast 30 Jahre unseren Wohnsitz. Zwischendurch waren wir hin und wieder in Kanada, aber unser Dienst und unser Zuhause war in Europa.

Im Jahr 1999 führte uns der Herr wieder nach Kanada zurück. (Unsere Kinder lebten inzwischen in Nordamerika.) So haben wir seit dieser Zeit in Kelowna gewohnt. Aber fast jedes Jahr war ich wieder in Europa. Fast immer konnte mich meine Frau begleiten. Dies ging so bis zum Jahr 2011.

Ergänzung (TJ): Herbert arbeitete in den Jahren 2011 bis zu seinem Tod weiter an seinen Veröffentlichungen, vor allem an der Verbesserung seiner eigenen NT-Übersetzung und an der Herausgabe der „Glaubenslehre“.

Episoden (aus einem Heft von Carol Jantzen)

Die Grundlage für eine glückliche Ehe ist nicht das Geld, ein gesicherter Arbeitsplatz oder ein guter Beruf des Mannes. Unseren Eltern ging es darum, dass wir vom Herrn geführt waren. Meine Eltern machten die oben genannten gesellschaftlichen Forderungen nicht zur Bedingung für meine Heirat. Keiner wusste, dass mein Mann am Hochzeitstag ganze 25 Dollar hatte. (Ich übrigens auch nicht! Das erfuhr ich, als wir das erste Mal zusammen einkaufen gingen.)

… Irdische Dinge waren für uns nicht von Interesse. Wir hatten beide den Ruf für seinen Dienst, und wir glaubten, dass Gott uns versorgen werde. Das tat er auch. Von meinen Eltern bekamen wir ein Möbelstück zur Hochzeit. Andere Möbel wurden uns von der Bibelschule geliehen, wo wir das erste Jahr unterrichteten. Es fiel mir zuerst sehr schwer, Spenden in Form von Geld oder Naturalien anzunehmen. Bis zur Heirat hatte ich mein eigenes Geld verdient und andere beschenkt. Es erforderte Demut von mir, die Empfängerin von Gaben zu sein. Mit Gottes Gnade durfte ich auch dieses lernen. Ich sah nicht mehr die Person, sondern Gott, hinter dem Geschenk. Es war Gott, der uns versorgte, nicht ein Mensch. Diese Haltung war heilsam.

… Ab und zu hatten wir Gelegenheit, auf Einladung hin über unseren Ruf nach Europa zu erzählen.

Wir verzichteten darauf, für unsere Unterstützung zu werben, indem wir nie über die finanziellen Bedingungen für unsere Ausreise berichteten. Herbert war der Überzeugung: „Wenn Gott mich in den vollzeitlichen Dienst gerufen hat, dann ist es seine Sache, für meinen Unterhalt aufzukommen.“

Vielleicht wäre es von Interesse zu wissen, wie unser Weg nach Europa gebahnt wurde. Herbert diente als Sanitäter im letzten Weltkrieg, und als er nach Kriegsende als Verwundeter aus England heimkehrte, studierte er Theologie.

1950 hatte er für sein Studium noch Schulden abzuzahlen und bekam auf einem Bauernhof eines Freundes Arbeit. Nachdem die Schulden getilgt waren, hatte er etliche Male unerklärliche Unfälle. Es schien, als wolle der Herr ihm damit sagen, er sei nicht am rechten Platz. Er kündigte und kehrte zurück ins Elternhaus.

Während er auf weitere Führung wartete, diente er als Chorleiter und Sonntagsschullehrer in seiner Gemeinde. Kurz vor Weihnachten 1950 bekam er einen Anruf von Leo Janz. Das Quartett plante eine Reise in die USA, um dort Unterstützung zu bekommen für einen Dienst in Europa mit „Jugend für Christus“. Ihr Bass war wegen einer Operation ausgefallen. Ob Herbert wohl einspringen könnte?

Nach der Reise blieb er am Prairie Bible Institute, in der kanadischen Provinz Alberta, wo er in früheren Jahren gerne zur Bibelschule gegangen wäre, und erhielt dort Arbeit. Im Frühling 1951 hörte er auf der Abschlusskonferenz einen Redner, der sich mit einer sehr lauten Stimme für die Sache Gottes in Europa einsetzte. Endlich sagte Herbert: „Herr, und jetzt habe ich lange genug „Ja“ gesagt. Jetzt gehe ich. Mache du Weg und Bahn.“

Er bewarb sich bei der Mission. Während der Wartezeit diente er zusammen mit etlichen Evangelisten, unter anderem auch auf der Freizeit, wo wir uns kennenlernten. …

Die Missionsgesellschaft, der wir uns 1951 anschlossen, verlangte, dass wir vor unserer Ausreise eine bestimmte Summe als zugesagte Unterstützung aufweisen konnten. Wir verzichteten auf die übliche Methode, Gemeinden anzuschreiben, um unser Vorhaben darzulegen. Einladungen, über die künftige Arbeit zu sprechen, nahmen wir jedoch an, und ansonsten beteten wir. – Weder in öffentlichen Versammlungen noch in persönlichen Gesprächen brachten wir das Thema Unterstützung zur Sprache. Wenn Gott uns gebrauchen wollte, sollte er es zeigen, indem er uns versorgte. Das hat er auch reichlich getan.

In der „Wartezeit“ auf finanzielle Unterstützung bevor wir nach Europa kamen, praktizierten wir die völlige Abhängigkeit von Gott. Immer wieder war das Portemonnaie leer. Wir wohnten eine Zeitlang in der Nähe von Herberts Eltern. Jeden Tag brachte Vater uns vier Liter Milch. Plötzlich wurde die Kuh trocken, und zudem waren auch die Küchenschränke leer. Solange wir Milch bekamen, konnte ich wenigstens noch Brei oder Pudding für unseren kleinen Sohn kochen. Wir trafen uns dreimal am Tag zum Beten und flehten den Herrn an, er möge unsere Not lindern. – Als wir am zweiten Tag mittags auf den Knien waren, klopfte es an der Tür. Ein Vetter von Herbert kam auf Besuch. Ganz offensichtlich hatte Gott ihn zu dieser Stunde zu uns geschickt, denn es war sein erster und letzter Besuch bei uns. Ehe er sich verabschiedete, bot er uns Zugang zu seinem Tiefkühlfach im Dorf an, damit wir uns Fleisch holen konnten; und er überreichte Herbert $50! Keiner, nicht einmal Herberts Eltern, wusste um unsere Not außer Gott. Kein anderer musste es wissen – außer Gott. Der Vetter ahnte nicht, wie viel Dank nach seinem Abschied hochstieg. Wir sind immer dankbar gewesen für solche Erfahrungen, die wir vor unserer ersten Ausreise für den vollzeitlichen Dienst in Europa hatten, denn auch hier sind wir von Gott abhängig.

Paulus wählte mitunter den Weg der Selbstversorgung, aber es war Herbert, schon als er 1945 vom Krieg heimkehrte, klar, dass sein Weg ein Weg der Abhängigkeit sein sollte. Gott hat uns beiden die Freudigkeit geschenkt, diesen Weg zu gehen. Mein Onkel, ein Prediger, sagte uns: „Wenn Anfragen bei mir ankommen, ob man einen Dienst in meiner Gemeinde tun kann, werfe ich sie sofort in den Papierkorb. Ich glaube, wenn Gott einen Mann ruft, versorgt er ihn mit Arbeit und den Mitteln zum Leben.“ Das war für uns eine Bestätigung auf unserem Weg. Und genau das hat Gott bis auf den heutigen Tag getan. …

Als unsere Tickets für die Schiffreise nach Holland ankamen, waren wir überrascht. Unsere Mission hatte unser „entweder Holland oder Deutschland“ missverstanden. Wir waren unentschieden gewesen und wollten noch weiter darüber beten. Inzwischen war es uns klar geworden, dass es Deutschland sein sollte. Hatten wir die innere Führung des Herrn nicht verstanden?

März 1954 verließ das Schiff das Ufer in der Nähe von New York. Wie wenn es heute wäre, erinnere ich mich noch an die Gefühle, die ich hatte, als ich sah, wie der Abstand zwischen Schiff und Land immer größer wurde: Es war etwas Endgültiges, ein Verlassen von Familie, Verwandten und Heimatland, und es bewegte mich zutiefst. Unser ganzes Vorhaben wurde jetzt zur Wirklichkeit. Wie gut, dass ich mich neu in die Hände Gottes legen durfte.

Als wir zehn Tage später die holländische Küste sichteten, fand ein neues Ringen in mir statt. Was würden wir in diesem fremden Land mit fremder Sprache und fremden Sitten erleben? Herbert, der sich auf dem oberen Deck ein Wort vom Herrn ersucht hatte, kam und las mir Ps. 81,11 vor: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande [Kanada] heraufgeführt hat. Mache deinen Mund weit auf. Ich fülle ihn.“

Genau das hat Gott getan. Er füllte Herberts Mund mit dem „Lebensbrot“ für hungrige Seelen, und er durfte Sündern den Weg zu Jesus zeigen. Ohne Furcht und Zittern geschah dieses nicht. Wir waren so unerfahren. Von unserer Missionsgesellschaft erhielten wir kaum Anweisungen für unsere neue missionarische Tätigkeit. In solchen Zeiten durfte ich meinem Mann Trostworte wie z. B. das Wort aus Jeremia 1 vorlesen: „Sage nicht: Ich bin zu jung! Sondern du sollst überall hingehen, wohin ich dich sende, und alles reden, was ich dich heiße!“

Nachdem wir am 13. 3. 1954 in Rotterdam angekommen waren, lernten wir die Sprache und dienten in Freizeiten, Evangelisationen, an Konferenzen und als Hauseltern in einer Bibelschule. Die Wasserstraßen, die winzigen Felder, die roten Steinhäuser und farbenfrohen Tulpen imponierten uns sehr. Wir fühlten uns wohl unter diesem freundlichen Volk. Dennoch hatten wir eine wachsende Unruhe, die wir einfach nicht loswurden.

Im Frühling 1955 war Herbert in Wuppertal auf einer Konferenz für Missionare. Man sagte ihm: „Herbert, du solltest in Deutschland sein!“ Er wurde ins Gebet getrieben. Gottes Marschbefehle sind sehr genau. Die Antwort war wieder: „Deutschland“.

Nach dem Krieg waren Wohnungen rar, und doch hörte Herbert bald von einer Vier-Zimmer Wohnung in Nürnberg, die wir haben durften, wenn er als Hilfspastor dienen würde. Auch war ein junges Mädchen aus Wuppertal bereit, ein Haushaltsjahr bei uns zu machen, da ich zu der Zeit krank war. „Der Herr aber, der selbst vor euch hergeht“, hatte alles für uns im Voraus geordnet!

Gott hat öfters unser Vertrauen zu ihm auf die Probe gestellt. Wie bei Hiob schien er zu fragen: „Wenn ich dieses oder jenes Negative in euer Leben schicke, werdet ihr dennoch an mich glauben?“ So war es, als unsere jüngste Tochter mit acht Monaten erkrankte. Ganz plötzlich hörte sie auf zu essen und zu trinken. Der Arzt stellte einen Virus fest, welcher das ganze Verdauungssystem entzündet hatte. Den ganzen Tag legte Herbert die Kleine trocken, wechselte Bettwäsche und Kleidchen, während ich in der Waschküche hantierte und versuchte, die Wäsche rechtzeitig trocken zu bekommen. Elektrische Wäschetrockner gab es damals nicht, aber es war ein sonniger Tag, was ich als Gnade auffasste. Abends legten wir uns erschöpft hin. Ich merkte, dass die Kleine schon keinen Muskel mehr bewegen konnte. Wir beteten noch einmal: „Vater, du hast uns dieses Kind geschenkt. Wenn du es wieder zu dir nehmen willst, dann geben wir es an dich zurück. Wir sind hilflos. Dein Wille geschehe.“

Kaum war der letzte Satz gesprochen, klingelte das Telefon. Der Arzt erkundigte sich um 10 Uhr abends (!), wie es der Kleinen wohl gehe! Nach unserem Bericht befahl er, das Kind sofort ins Spital einzuliefern. Dort wurde sie an den Tropf gehängt (Infusion). Uns wurde gesagt: „Wir können nichts Weiteres tun, als sie künstlich zu ernähren. Alles weitere ist der Natur überlassen.“ Wir wussten, was wir mit der sog. „Natur“ anzufangen hatten. Nicht die Natur, sondern Gott! Sechs Tage lang bangten wir, „menschlich“ gesehen, und flehten ihn Tag und Nacht an. Am achten Tag durften wir unseren Schatz wieder nach Hause holen. Wir erfuhren, dass der Arzt aus dem Grund so besorgt gewesen war, weil etliche Kleinkinder in dieser Woche am gleichen Virus gestorben waren.

Auch in Deutschland hielt Gott das Versprechen von Ps 81 („Ich werde deinen Mund füllen“) ein. Viele Türen öffneten sich für evangelistische und andere Lehrdienste in Zelt und Gemeinden. In den Jahren 1955-58 hat unser großer Gott weitere Wunder getan, indem Hunderte zum wahren Glauben an Jesus Christus kamen. Mit Dankbarkeit nehmen wir zur Kenntnis, dass manche davon jetzt im vollzeitlichen Dienst stehen. …

Zwischen 1960-1965 diente Herbert oft in der Studentenmission in Deutschland. Diese Arbeit führte ihn immer wieder zu intensivem Bibelstudium, da die Studenten manchmal Fragen stellten, für die er zuerst im Wort Antworten finden musste. Eigentlich ist Herbert zeitlebens ein Bibel-“Forscher“ gewesen. Er ist es geblieben.

1970 wurde er in das Kuratorium der Freien Evangelisch-Theologischen Akademie in Basel berufen. In diesen Jahren lernte er in seiner Vorlesungstätigkeit sehr viel. Besonderer Anlass zum Forschen konnte die Frage eines Studenten sein: „Wo steht das geschrieben?“ Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er nach Hause kommt und ohne den Mantel auszuziehen ein Buch aus seiner Bibliothek holt, um etwas nachzulesen.

Am Anfang unseres Dienstes in den Niederlanden erhielten wir volle finanzielle Unterstützung. Doch ließ diese bald nach. In jener Zeit ermutigten wir uns immer wieder, nicht auf Menschen zu schauen, sondern nur auf Gott. Dass der Herr uns versorgen konnte, wussten wir. Es war seine Sache. …

… Es war 1955. Als ich sah, dass mein Mann den Koffer packte, sagte ich: „Du packst? Wir haben doch kein Geld für die Fahrkarte!“ Er antwortete: „Ich habe versprochen, diesen Dienst zu tun. Der Herr wird für das Geld sorgen. Komm, wir gehen noch einmal auf die Knie.“ Während wir beteten, klingelte es. An der Tür stand ein uns unbekannter amerikanischer Feldwebel. Seine Abschiedsworte waren: „Als ich hörte, dass ihr Missionare wart, dachte ich, ihr könntet dieses vielleicht gut gebrauchen.“

In dem Umschlag waren 100 Dollar. Damals waren das 450 Deutsche Mark. Wie haben wir den Herrn gepriesen! Mit dankbarem Herzen ging ich schnell zur Bank und kaufte dann Lebensmittel ein. Herbert erreichte noch rechtzeitig den Zug. Es blieb auch genügend Geld für Lebensmittel während seiner Abwesenheit übrig.

  1. Wieder stand der gepackte Koffer bereit. Im Briefkasten war nur ein kleines Päckchen. „Das wird der vergessene Rasierapparat sein“, dachte ich. Als ich das Päckchen öffnete, lag oben ein kleiner Umschlag mit Geld. Die Diakonissen, die in der vorigen Woche diese Summe für unser Zimmer verlangt hatten, als wir an ihrem Ort dienten, hatten eine Sinnesänderung erlebt. Gott lenkt nicht nur die Herzen der Könige! – Und Herbert fuhr zu seinem nächsten Dienst.

Auf dem Heimweg Richtung Nürnberg, nach einem Dienst in der Schweiz, entdeckten wir, dass in Deutschland aufgrund eines Feiertages die Banken geschlossen waren. Wir konnten unseren ausländischen Scheck nicht einlösen. Unsere Reiseverpflegung hatten wir bereits mittags gegessen, und die Kinder fingen an zu klagen: „Mutti, ich hab Hunger.“ Kleine Kinder haben kein großes Verständnis, wenn man ihnen sagt, man habe kein Geld, um Essen zu kaufen. Das Betteln wurde immer stärker. Wir fuhren und beteten. Als uns ein Lastwagen kreuzte, drehte ich mich um und schaute ihm nach. Wieso? Weil es Gott gefiel, mich sehen zu lassen, dass etwas vom Lastwagen fiel und in den Graben rollte. Aufgeregt bat ich Herbert, anzuhalten. Er nahm mich zuerst gar nicht ernst. „Vielleicht ist es etwas zum Essen! Bitte, fahr zurück!“ Das Wort „Essen“ wirkte, und langsam setzte er zurück. Als wir beinahe dort waren, sah ich, dass eine Bauersfrau auf einem Fahrrad gleich daran vorbei fahren würde. „Jetzt wird sie es sehen! Wir sind zu spät!“ rief ich. Aber das war eben nicht in Gottes Plan, und der Herr hielt ihre Augen zu! Was meinen Sie, was wir am Wegrand fanden? – einen großen Plastiksack mit Erdnüssen in der Schale. An diesem Abend mussten wir in einer Pension übernachten, und dort feierten wir unser erstes „Erdnussfest“: Erdnüsse als Hors-d’oeuvre, Erdnüsse als Suppe, Erdnüsse als Hauptspeise und – Sie haben es erraten: Erdnüsse als Nachtisch. Unsere Kinder waren glücklich und quietschvergnügt und gingen gesättigt schlafen. Wissen Sie, ich glaube, dass Gott Elia durch Raben speiste. Lastwagen gab es damals noch nicht! …

Während eines Kanada-Aufenthaltes brachte mein Vater Herbert einmal zur Busstation. Sie verabschiedeten sich, und mein Vater ging hinaus zum Wagen. Bevor er einstieg, kam ein Bekannter auf ihn zu: „Na, was bringt dich hierher?“ „Ich habe meinen Schwiegersohn hergebracht“, antwortete mein Vater. „Er fährt zu einem Dienst.“ „Ach so, der ist hier. Ich wollte ihm schon lange etwas geben. Bitte gib ihm dies.“ Als mein Vater sofort zurück in die Busstation ging und das Geld überreichte, sagte Herbert: „Danke. Jetzt kann ich meine Fahrkarte bezahlen!“

Gott ist, wie wir alle wissen, auch ein Gott der Führung. Wie oft haben wir dieses erlebt. 1960 planten wir unseren Umzug von Lörrach nach Baden-Baden. Zwei Tage vor unserem Umzugstermin hatten wir immer noch keine Wohnung. In der Gegend von Baden-Baden ging ich manchen Hinweisen nach, aber ohne Erfolg. Erschöpft setzte ich mich in Rastatt auf eine Bank und legte nochmals alles in Gottes Hand. „Herr, wenn du willst, dass wir in dieser Gegend wohnen sollen, dann kannst du uns eine Wohnung zeigen.“ An der Kleidung erkannte ich, dass eine Kanadierin mir entgegenkam. Ich wurde geführt, sie zu fragen, ob sie von einer leeren Wohnung wüsste. „O ja, in der Lessingstraße 9 in Baden-Baden wird noch eine Wohnung leer sein. Meine Freunde sind dort ausgezogen.“ Und diese Wohnung bekamen wir. Die Führung und Treue Gottes!

… Oft sagen Menschen: „Sie müssen einen großen Glauben haben.“ Es geht nicht um unseren großen Glauben. Es geht um unseren großen Gott! Und hätte ich mein ganzes Leben nochmals vor mir, ich wäre bereit, denselben Weg zu gehen, denn: „Mein Gott wird bis zur Fülle alles geben, was ihr bedürft, nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.“ (Phil. 4,19)

Nur Gott weiß, warum Herbert 1987 an einer Lungenentzündung erkrankte. Dieses Ereignis hat uns sehr beschäftigt. Es ist unser Gebet, dass wir die Lektionen lernen, die es zu lernen gibt, und dass sein Name in allem verherrlicht wird.

Nach seiner Krankheit, die ihn etliche Monate „außer Betrieb“ setzte, schrieb Herbert folgende Gedanken, die ihm in der Genesungszeit wichtig wurden:

– Krankheit macht nicht geistlicher. Auf der Fahrt zum Krankenhaus stellte ich fest: ‘Ich bin jetzt geistlich genau dort, wo ich vor einigen Stunden und Tagen war.’ Geistlich wird man durch die Gemeinschaft mit dem Herrn, ob man gesund oder krank ist.

– Mir ging auf, dass ich in Krankheit dem Tode nicht näher war, als wenn ich gesund war. Immer kann mein Leben im nächsten Augenblick zu Ende sein. Immer bin ich in seiner Hand und von ihm abhängig.

– Wenn man krank ist, klopfen Sorgen um dies und das an die Tür des Gemüts. Mir wurde klar, dass ich alles wie ein Kind meinem Vater anvertrauen durfte.

– Gleichzeitig gilt es zu lernen, loszulassen, besonders von dem, das einem so wichtig vorkommt. Das ist nicht einfach, wenn es um etwas geht, das man als Auftrag vom Herrn aufgefasst hatte. In einer solchen Spannung gilt es, nicht zu vergessen: Er ist der Herr der Ernte und das Haupt der Gemeinde. Nur er!

Veröffentlichungen

1999: Die Briefe des Neuen Testamentes

(Die Übersetzung basiert auf dem traditionellen Grundtext (Textus Receptus, Ausgabe von Estienne 1550)

2007- 2019: Das Neue Testament in deutscher Fassung (4 Auflagen)

in Zusammenarbeit mit Thomas Jettel

Missionswerk/Verlag FriedensBote (ISBN 978-3-93703223-8). Ein Hauptziel der Übersetzung ist es, dem Leser auf die Frage „Was steht denn eigentlich geschrieben?“ wenn möglich, noch besser zu antworten. Im Jahr 2009 erschien das NT in Neufassung mit den Psalmen. Anhang von ca. 200 Seiten: Begriffserklärungen, Übersetzungskommentar, ausführlicher Kommentar zur Struktur der einzelnen Psalmen. Eine Stärke dieser Übersetzung ist die möglichst genaue Wiedergabe des Textes. Eine stark überarbeitete und erweiterte 4. Auflage erschien im Jahr 2019 mit den Buch der Sprüche und einem noch längeren Anhang.

Die Bibel in deutscher Fassung

Herbert Jantzen wirkte auch zeitweise an der Übersetzung des Alten Testaments mit, das April 2022 zusammen mit seiner NT-Übersetzung und einem Ergänzungsband im Verlag FriedensBote erscheint (ISBN 978-3-946449-51-5).

Die Hauptlehren der Heiligen Schrift

Eine systematische Darstellung der Lehren der Bibel:

  • Band 1 Einführung in die Glaubenslehre ISBN 3-931346-11-0
  • Bd 2 – Die Lehre von Gott – ISBN 978-3-946449-40-9
  • Bd 3 – Die Lehre von Christus – ISBN 978-3-946449-41-6
  • Bd 4 – Die Lehre vom Göttlichen Geist – ISBN 3-931346-14-5
  • Bd 5 – Die Lehre vom Menschen – ISBN 978-3-946449-42-3
  • Bd 6 – Die Lehre vom Heil –
  • Bd 7a Vom Wesen der Gemeinde – ISBN 3-937032-33-7
  • Bd 7b Verantwortung/Wegbestimmung ISBN 3-937032-49-8
  • Bd 7c Gemeinde – Ihre Gemeinschaft mit Gott
  • Bd 7d Gemeinde – Gemeinschaft der Gemeinde
  • Bd 7e Gemeinde – Ihre Ausrüstung
  • Bd 7f Gemeinde – Zeichenhafte Handlungen
  • Bd 7g Gemeinde unterwegs – Ihr Leben in dieser Welt
  • Bd 8 Die Ehe nach der Heiligen Schrift

Beim Verlag Samenkorn erschien: Die Kraft des Christen

Zusätzlich erschienen (elektronisch, bei www.Sermon-online.de) und bei DWG-Radio (https://load.dwgradio.net/de/search/?q=Jantzen) viele Vorträge und Nachschriften zum kostenlosen Herunterladen.

Seit 1999 gab er zweimonatlich das Blatt «Unterwegs notiert» heraus. Inzwischen sind es 133 Nummern, insges. ca. 850 S; ein Blatt, um Christen zu helfen, die dem Herrn auf irgendeine Weise dienen möchten, Gedanken, die im geistlichen Gespräch oder im Dienst am Wort eine Hilfe sein können. Die Nummern können bei www.sermon-online.de kostenlos heruntergeladen werden. Fortlaufende Ausgaben können bei Thomas Jettel angefordert werden, ebenso eine Sammeldatei der Ausgaben 1-105 (https://jettel.ch/unterwegs-notiert).